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Foto: Assunta Jaeger.Foto: Assunta Jaeger

Deutsch-Norwegisches Jugendforum in Leipzig: Ein Interview

Letzte Aktualisierung: 21.09.2012 // Im Foyer des Commundo Tagungshotels in Leipzig herrscht großer Andrang. Zwischen den Jugendlichen aus Deutschland und Norwegen schlängeln sich ein paar irritiert schauende Hotelbesucher mit Fotoapparat und Rucksack. Draußen rattert eine Straßenbahn vorbei. Ein Workshopleiter zählt konzentriert seine Teilnehmer ab.

Zum sechsten Mal treffen sich 100 Jugendliche beim Deutsch-Norwegischen Jugendforum. Sechs von ihnen sitzen abseits des Trubels im Foyer. "Warum bist du eigentlich dabei?" wollen wir wissen, "und gibt es bei euch in Norwegen wirklich so viele Trolle? Und wie ist es eigentlich bei euch in Deutschland?“ Bei ihrem Gespräch versuchen sich die Jugendlichen, die über 1500 Kilometer voneinander entfernt wohnen, näherzukommen:

„Meine Lehrerin hat eine Notiz auf unsere Lernplattform gepostet und ich habe mich gedacht: Hey, cool, da möchte ich auch dabei sein. Ich war noch nie in einer Stadt in der ehemaligen DDR und finde es toll, jetzt mal einen Teil von Ost-Deutschland erlebt zu haben“, erzählt mir Jørn Oddmar Tufte aus Stavanger. Er findet zwar, Deutsch sei eine schwierige Sprache, habe aber bereits nach zwei Tagen in Leipzig gemerkt, dass es schnell vorangeht, wenn man in Deutschland unterwegs ist und sich mit Deutschen unterhält. „Ich habe sehr viel gelernt und mir viele neue Ausdrücke und Wörter gemerkt, wie z.B. müde. Und genau. Das kann man offenbar immer benutzen“, sagt er.

Dasselbe gilt für Silje-Merethe Helleland-Jacobsen, ebenfalls aus Stavanger: „Nach diesen beiden ersten Tagen habe ich so viel gelernt und bin jetzt sehr motiviert, mit Deutsch als Fremdsprache weiterzumachen. Ich werde in Zukunft auf jeden Fall besser verstehen können, was mein Lehrer im Deutschunterricht so alles erzählt“, sagt sie lachend. Auch Yngve Bøe Sikko aus Trondheim sitzt mit uns auf dem Sofa. Als ich die Norweger frage, was sie eigentlich für ein Deutschlandbild haben, tauchen wieder die alten Klischees auf: Autobahn, Rammstein, Lederhosen und Oktoberfest. Yngve meint, dies stimme zwar, Deutschland habe aber auch viele tolle Sachen zu bieten. 
 „Das habe ich auch von meinen Freunden bestätigt bekommen. Die waren im Sommer mit dem Interrail unterwegs und haben von Deutschland nicht viel erwartet, außer dass dort viel Bier getrunken wird. Als sie zurückgekommen sind, haben sie mir erzählt, dass Deutschland das coolste Land von allen war. Dort haben sie sich auch am wohlsten gefühlt.“ Jørn ergänzt weiter: „Aus den USA bekommen wir die ganze Popkultur, während aus Deutschland immer nur von Eurokrise berichtet wird. Da sieht man dann Richter in komischen roten Kostümen, die zu irgendetwas ‚Ja‘ gesagt haben. Außerdem“, sagt er grinsend, „wenn ich an deutsche Frauen denken, dann stell` ich mir so eine Kugelstoßerin vor.“

Und was sagen die deutschen Teilnehmer dazu? Was für ein Bild haben sie eigentlich von Norwegen? Jana-Maria Lissek aus Kiel, Johanna Hiebl aus Ingolstadt und Johanna Franken aus Gelsenkirchen sitzen mit uns zusammen und lachen, als sie von der Kugelstoßerin hören, nehmen es aber nicht persönlich, denn sie wissen ja, dass dies zum Teil mit der Geschichte der DDR zusammenhängt. Und Apropos Geschichte: Norwegen wird immer noch mit den Wikingern assoziiert. „Ja, also wenn ich das Wort Norwegen höre, denk ich natürlich an die Wikinger. Aber auch an die schönen Fjorde. Und Fisch. Anders als Schweden hat ja Norwegen kein IKEA oder H&M oder so. Man bekommt daher das Gefühl, dass man Norwegen nicht so gut kennt, und ich stelle mir das Land deshalb so ein bisschen steril vor. Die Norweger erlebe ich aber als aufgeschlossen, nicht nur diejenigen, die hier teilnehmen, sondern ganz allgemein. Ich wohne ja in Kiel und dahin fahren viele Norweger“, sagt Lara.

Mit diesen Statements sind auch die beiden Johannas einverstanden. „Ich habe die Vorstellung, dass die Norweger Fischer sind. Auf jeden Fall die in den Dörfern an der Küste. Aber in den Städten sind sie wohl so wie wir in Deutschland, glaube ich. Und das Jedermannsrecht gefällt mir sehr“, sagt Johanna Hiebl, die durch einen Flyer im Felleshus der Nordischen Botschaften auf das DNJF aufmerksam wurde. Sie fährt bald nach Island, wo sie ein ganzes Jahr verbringen wird und will danach Skandinavistik in Greifswald studieren. Natürlich mit Norwegisch als Hauptsprache. 


Johanna Franken hat vom Deutsch-Norwegischen Jugendforum über eine Freundin gehört, die aber dieses Jahr nicht selber mitmachen konnte. „Ich habe hier schon ein bisschen Norwegisch gelernt. Aber nur ein paar Wörter. Es wäre cool, noch mehr lernen zu können. In Norwegen war ich leider noch nie, aber ich glaube, da im Norden muss es bestimmt ziemlich kalt sein. Und ich stelle mir die meisten Einwohner blond und blauäugig vor. Und ruhiger. Ich glaube die Norweger sind halt nicht so temperamentvoll wie andere Europäer“, sagt Johanna Franken abschließend und ist da mit Helmut Kohl einverstanden, der auch einst von den "ruhigen Norwegern" gesprochen hat.


Nachdem wir uns voneinander verabschiedet haben, diskutieren die Teilnehmer weiter über die Stereotypen der Norweger und die der Deutschen. Und genau dafür ist das Jugendforum ja unter anderem auch da: um falsche Vorstellungen und Stereotypen aus der Welt zu schaffen. Dann verschwinden sie lachend im Restaurant, wo das Abendessen wartet.


Das Gespräch wurde von Sjur Rynningen Bie-Lorentzen geführt.
Alle Fotos: Assunta Jaeger

Quelle: Kgl. Norwegische Botschaft   |   Bookmark and Share