Laufen, durchatmen, mit Präzision schießen, die Skistöcke greifen und wieder lossprinten; nun ist es wieder soweit: Vom 4. bis zum 15. März findet die 47. Biathlon-Weltmeisterschaft im finnischen Kontiolahti statt. Dort werden Sportgrößen wie Martin Fourcade, Simon Schempp, Emil Hegle Svendsen oder Daria Domratcheva ihr Bestes geben, um in verschiedenen Disziplinen um die begehrten Medaillen zu kämpfen. Mittlerweile gilt Biathlon in Deutschland als der beliebteste Wintersport, obwohl es sich um eine recht junge Sportart handelt. Dabei kann Skiskyting (Skischießen, wie Biathlon auf Norwegisch heißt) auf eine lange Tradition zurückblicken, die sogar bis in die nordische Mythologie reicht.
Schon die Gottheiten Ull und Skadi waren Skijäger
Norwegen gilt im Allgemeinen als das Ursprungsland des Skifahrens, es ist also nicht weiter verwunderlich, dass auch die Kombination Skifahren und Schießen hier ihre Wurzeln findet. Skijäger gab es schon in der nordischen Mythologie, in der sogenannten Edda. Hier waren Zweikämpfe auf Skiern keine Seltenheit, so gab es beispielsweise den Skigott Ull oder die Jagdgöttin Skadi, (möglicherweise die Namensgeberin Skandinaviens), die der Sage nach sowohl mit Skiern als auch mit Pfeil und Bogen umgehen konnten.
Die Gottheit Ull: Ein begnadeter Jäger und Skifahrer. Eine isländische Darstellung aus dem 18. Jahrhundert. Foto: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Manuscript_Ullr.jpg#mediaviewer/File:Manuscript_Ullr.jpg
Die Jagd auf Skiern oder skiähnlichen Gebilden war im hohen Norden schon in den Jahrtausenden vor Christus Normalität und teilweise überlebenswichtig, um für genügend Nahrung für sich und die Familie sorgen zu können. Davon zeugen beispielsweise Höhlenmalereien oder die Erwähnung der Jagd auf Skiern durch den römischen Dichter Vergil 400 v. Chr.
In der frühen Neuzeit etablierte sich in ganz Skandinavien das Langlaufen auf Skiern im militärischen Sinne. In Norwegen gab es schon im 16. Jahrhundert Skiregimente, die sowohl den Umgang mit dem Gewehr als auch den mit den Skiern in ihrer Ausbildung kombinierten. Im Zuge dessen entstand eine Urform des heutigen Biathlon. 1767 wurde der erste Wettkampf zwischen norwegischen und schwedischen Grenzsoldaten dokumentiert: Derjenige sollte 20 Reichstaler erhalten, der auf Skiern in vollem Lauf ein 40 bis 50 Schritte entferntes Ziel treffen konnte.
Skisport als militärische Ausbildung
In Mitteleuropa dauerte es bis zum 19. Jahrhundert, bis der Skisport als Trainingsmethode der Armee eingeführte wurde. In Deutschland erhielten Soldaten ab 1892 eine Ausbildung auf Skiern. Der nächste entscheidende Schritt geschah wiederum in Norwegen: 1912 wurde ein Wettkampf zwischen Soldaten durchgeführt, bei welchem während des Rennens zweimal 10 Schüsse abzugeben waren. 1924 wurde die sogenannte Skipatrouille in das Programm der ersten Olympischen Winterspiele in Chamonix aufgenommen und wurde bis 1948 praktiziert. Die Skipatrouille, bei welcher das Laufen und Schießen in einer militärischen Formation durchgeführt wurde, war allerdings ein Demonstrationswettkampf und kein Einzelsport.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich schließlich der Biathlonsport, der heute große Beliebtheit genießt: Langlauf wurde mit mehreren Schießeinlagen am selben Schießstand kombiniert. 1958 fand schließlich die erste Weltmeisterschaft in Österreich statt, die allerdings nur aus einer einzigen Disziplin bestand, dem Einzel der Herren. Damals wurde noch mit Großkalibergewehren ohne spezielle Zieloptik geschossen, als Ziele dienten dabei Luftballons oder Papierscheiben, die in einem Abstand von 100 bis 300 Metern getroffen werden sollten.
Bathleten beim Massenstart in Turin 2006. Foto: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Torino2006_Biathlon_Massenstart.jpg#mediaviewer/File:Torino2006_Biathlon_Massenstart.jpg
Einführung des Kleinkalibergewehres im Jahre 1978 revolutioniert den Biathlon
1978 wurde der Sport durch die Einführung des Kleinkalibergewehres und der Reduzierung des Schießabstandes auf 50 Meter revolutioniert und für den Breitensport attraktiv, zuvor hatte der Sport noch starke militärische Züge gehabt. Zu dieser Zeit war Biathlon bereits olympisch, allerdings durften Frauen nicht teilnehmen. Diese Diskriminierung wurde erst 1984 aufgehoben, als Frauen auch an der Weltmeisterschaft teilnehmen durften. Heute ist Biathlon einer der wenigen Sportarten, in der Frauen und Männer medial die selbe Aufmerksamkeit erhalten. Angetrieben wird dies auch durch die 2007 eingeführte Mixed-Staffel, in der zunächst zwei Frauen und dann zwei Männer einer Nation um die Medaillen kämpfen. Die WM in Kontiolahti wird in dieser beliebten Disziplin sogar eröffnet.
Die Einführung der Mixed-Staffel zeigt, dass der Biathlonsport noch heute im Wandel ist. Disziplinen wie die Verfolgung oder der Massenstart kamen erst in den 90er Jahren hinzu. Dies steigerte die Attraktivität der Sportart enorm: Der Kampf Mann gegen Mann beziehungsweise Frau gegen Frau in der Loipe und am Schießstand lockt nicht nur in Norwegen und in Deutschland zahlreiche Zuschauer vor den Fernseher oder an die Strecke.
Deutschland führt im WM-Medaillenspiegel vor Russland und Norwegen
Norwegen und Deutschland sind neben Frankreich und Russland schon seit Beginn der Austragung der Weltmeisterschaften die tonangebenden Nationen im Biathlon. Mit 71 Goldmedaillen (inklusive Medaillen der DDR) führt Deutschland den ewigen WM-Medaillenspiegel vor Russland (70) und Norwegen (61) an.
Mit 19 WM-Goldmedaillen ist Ole Einar Bjørndalen aus Norwegen der erfolgreichste Biathlet aller Zeiten. Er lieferte sich schon mit deutschen Athleten wie Frank Luck (11 Gold), Ricco Groß (9) Sven Fischer (7) oder Michael Greis (3) packende Duelle. Heute ist er 41 Jahre alt, und immer noch aktiv. Um den Sieg kämpfen jedoch inzwischen meistens andere. Neben dem überragenden Franzosen Martin Fourcade können sowohl die Deutschen mit unter anderem Simon Schempp oder Arnd Peiffer als auch die Norweger (z.B. mit Emil Hegle Svendsen oder Johannes Thingnes Bø) auf starke Biathleten bauen, die vor allem in der Staffel im modernen Kampf der Nationen Spannung versprechen. Erfolgreichste Biathletin aller Zeiten ist übrigens Magdalena Neuner, die zwischen 2007 und 2012 12 Goldmedaillen für Deutschland sammelte.
Ole Einar Bjørndalen, der erfolgreichste Biathlet aller Zeiten. Foto: www.skiskyting.no
Das gesamte Programm der WM in Kontiolahti ist auf der folgenden Webseite zu finden, man beachte allerdings, dass die deutsche Zeit eine Stunde vorgeht:
http://www.kontiolahtibiathlon.com/spectators/programme/