Aus diesem Anlass haben wir uns mit ihm in der Galerie C\O Berlin getroffen. Es herrschte eine hektische Stimmung am Tag der Eröffnung, und viele Galeriemitarbeiter baten um die Aufmerksamkeit des Fotografen. Es gab noch immer viele Dinge, die organisiert werden müssen. Wir freuen uns, dass wir ein Interview mit dem Fotografen bekommen - trotz der Vielzahl von an ihn gerichteten Fragen. Bendiksen ist positiv und gut gelaunt als wir uns auf zwei Paletten setzen und mit dem Interview beginnen:
Auf welche Weise haben Sie dieses Projekt („The Places We Live") konzipiert?
Es fing an, als ich 2002 Vater wurde. Ich fragte mich: Wie wird die Welt sein, wenn mein Sohn mein Alter erreicht hat? Welche Veränderungen wird man spüren und was wird sich von heute unterscheiden? Darüber hinaus las ich in 2004 die Statistik der UNO, die besagte, dass zum ersten Mal mehr Menschen in urbanen als in ländlichen Gebieten auf der Welt wohnen werden. Gleichzeitig werden mehr als eine Million Menschen in Slums wohnen. Wir können nicht die Wohnsituation der Menschen in 30 Jahren verstehen, ohne die Lebenssituation in den Slums zu verstehen. Das Wachstum hier ist gröβer als bei allen anderen Wohnsituationen. 2005 reiste ich umher, um das Projekt zu realisieren.
Sieht das fertige Projekt so aus wie Sie es sich vorgestellt haben? Oder ist es etwas anders geworden?
Das Projekt ist hauptsächlich so geworden wie ich es mir vorgestellt hatte. Das Buch und die Ausstellung sind in sich sehr besonders. Ich denke dann daran, dass es mit diesem gewissen 3D-Gefühl fotografiert worden ist, und dass das Projekt formellen Regeln folgen musste, um dieses Hauptziel zu erreichen. Man kann aber sagen, dass sich die Ausstellung in Abhängigkeit davon ändert, wo sie gezeigt wird. Es geht um Raum und Platz, und das Gefühl ist bei einer neuen Ausstellungsfläche immer wieder ein anderes. Eine Überraschung für mich war, dass das Resultat nicht unbedingt von Not und Elend handelt. Es zeigt vielmehr normale Menschen in schwierigen Situationen, die trotzdem Lösungen und Lebensmöglichkeiten finden. So man kann sagen, dass das Projekt mehr Hoffnung und Positives darstellt, als ich anfangs glaubte.
Wie unterscheidet sich dieses Projekt von Ihrem letzten Projekt und Photobuch „Satelites“?
Sie sind tatsächlich eher ähnlich als unterschiedlich. Beide Fotoprojekte stellen Menschen dar, die in Enklaven leben. Es sind Menschen, die getrennt von der Gesellschaft leben. „The places we live“ zeigt aber Menschen, die sehr eng zusammen leben, während „Satelites“ Gesellschaften porträtiert, die auch in einem geografischen Sinn getrennt sind. Grundsätzlich müssen beide Gruppen alles was sie haben, für sich selbst schaffen. Man kann aber sagen, dass sich „The places we live“ viel mehr auf Einzelschicksale fokussiert.
War dieses Projekt schwieriger als „Satelites“ fertig zu stellen?
Nein. Es war einfacher. Ich hatte besseren Zugang zu den Leuten, und sie waren auch sehr zusammenarbeitswillig. Sie verstanden sehr schnell, dass es nicht unbedingt mein Ziel war, die negativen Dinge darzustellen. Mein Fokus war nicht auf die härtesten Gangster, die schlimmsten Wohnsituationen und die schlimmsten Situationen gerichtet, und ich glaube, dass die Leute das spürten, und gerade deswegen positiv eingestellt waren. Geschichten über das Überleben trotz eines harten Alltags sind Geschichten, die Menschen sehr gern teilen möchten.
Ich wurde von den Leuten fast von Haus zu Haus geschleppt, um mir ihr Leben zu zeigen.
Was hat Sie beeindruckt? Gibt es irgendwelche besonderen Erlebnisse?
Durch das Projekt habe ich eine Vielzahl an Eindrücken gesammelt. Ich bekam groβen Respekt für die Leute, die in den vier Städten wohnen. Sie sind voll von Positivität und Kreativität. Diese Menschen haben meinen vollen Respekt.
Hatten Sie irgendwelche Vorbilder für dieses Projekt oder für Ihre Arbeit im Allgemeinen?
Nicht speziell für dieses Projekt. Ich habe natürlich viele Inspirationsquellen. Nicht nur die Fotografie sondern auch Bücher, Musik, eigene Erfahrungen. Ein entscheidendes Erlebnis für die Präsentations-Form war als ich meinem Sohn ein so genanntes „Pop-up“-Buch über Dinosaurier vorlas. Wenn man die Fotos aus seiner Zweidimensionalität löst, dann werden sie plötzlich mehr real.
Welche technischen Geräte nutzen Sie für dieses Projekt?
Ich bevorzuge einfache Apparate und Aufnahmemethoden. Die meisten meiner Aufnahmen mache ich mit der Spiegelreflexkamera. Kein künstliches Licht, sondern nur natürliches Licht. Manchmal fotografiere ich auch mit einem Stativ. Ich mag es einfach und simplifizierend.
Wie arbeiten Sie in den Vorbereitungsphasen für Ihre Bücher und Projekte?
Dieses Projekt musste besser als meine früheren Projekte geplant werden. Ich musste von jeder Wand in den jeweiligen Häusern eine Aufnahme machen, um dem 3-D Konzept zu folgen.
Wie finden Sie es, als Mitglied der weltbekannten Magnum Agentur zu arbeiten?
Es gefällt mir sehr gut und bietet mir die Möglichkeit, mehrere Leute mit meinen Arbeiten zu erreichen. Magnum hat ein globales Netzwerk mit vielen sehr guten Fotografen. Meine Kollegen in dieser Agentur beeinflussen und inspirieren mich. Man bekommt auch einen positiven Druck auf sich selbst, um bessere Projekte zu machen und gut zu arbeiten.
Haben Sie Höhepunkte in Ihrer Fotokarriere?
Dies ist schwierig zu beantworten. Man macht einen Schritt nach dem anderen. Das Gefühl, als ich meine Bilder das erste Mal in einem Magazin gedruckt sah, war natürlich groβartig. Ich kann aber sagen, dass „The places we live“, eines der meinungsvielseitigsten Projekte ist, das ich gemacht habe. Ich freue mich sehr darüber, dass ich mit dieser Ausstellung die Möglichkeit erhalte, sie in vielen Ländern zu zeigen.
Und abschließend eine letzte Frage; haben Sie ein neues Projekt?
Natürlich habe ich ein neues Projekt. Aber ich spreche prinzipiell nicht über Bilder, die ich noch nicht gemacht habe. Das muss eine Überraschung bleiben.